„Ein Netzwerk in wunderbarer Dichte“
Zum 10. Thüringer Hospiz- und Palliativtag kamen 300 Gäste zusammen – und nahmen zahlreiche tiefe Eindrücke mit
Erfurt, 2. September 2018. Es gab keinen freien Platz mehr in der Augustinerkirche: Beim 10. Hospiz- und Palliativtag verbrachten 300 Gäste, die Mehrzahl von ihnen ehrenamtlich in der Hospizarbeit aktiv, den Samstag in klösterlicher Umgebung. Vorträge, Musik und der Austausch untereinander standen auf dem Programm des Tages, zu dem der Thüringer Hospiz- und Palliativverband (THPV e. V.) alle zwei Jahre einlädt.
Dr. Friederike Spengler, Pfarrerin und aktiv im Vorstand des THPV, betonte in ihrer Begrüßung die Bedeutung der Hospizarbeit als einer Bürgerbewegung und dankte den ehren- und hauptamtlich Aktiven für ihren Einsatz. „Durch Sie ist ein Netzwerk in wunderbarer Dichte, beachtlicher Tragfähigkeit und großer inhaltlicher Vielfalt entstanden. Sie sind Multiplikatoren der Vision des THPV: Jeder Mensch in unserem Freistaat soll wissen, dass er nicht alleine ist, wenn es um Sterben, Tod und Trauer geht.“
Margit Jung, Vizepräsidentin des Landtags in Thüringen, betonte in ihrer sehr persönlichen Rede ihren großen Respekt für das bürgerschaftliche Engagement in der Hospizarbeit. Professor Winfried Hardinghaus, Vorsitzender im Deutschen Hospiz- und Palliativverband, erläuterte in einigen Thesen, was für Menschen am Lebensende wichtig ist: neben Vorsorge und einem guten Angebot an hospizlicher und palliativer Unterstützung vor allem Nächstenliebe.
Eine Erfahrung grenzenloser Ohnmacht
Höhepunkte des Hospiztages waren zwei Vorträge von Dr. Monika Renz, Leiterin der Psychoonkologie am Schweizer Kantonsspital St. Gallen. Sie thematisierte den Leitgedanken des Hospiztages: Was ist gutes Sterben? „Ist es das plötzliche Sterben, das schmerzlose Sterben, das bewusst erlebte Sterben?“ Aus ihrer Erfahrung mit annähernd 1.000 Sterbenden wisse sie, dass Sterben immer individuell sei – „und immer die Erfahrung grenzenloser Ohnmacht und damit das Gegenteil der Hybris menschlicher Machbarkeit“. In der Sterbebegleitung, so Renz, sei es zentral, Optionen zu vermitteln. „Der Sterbende kann sich bei aller Ohnmacht zu seinem Sterben doch auch verhalten.“
Als eine wichtige Qualität für Hospizbegleiter*innen nannte Renz „das Ankommen in der Sensitivität“. Auf die Frage aus dem Publikum, was helfen könne, die eigene Empfänglichkeit zu finden und zu fördern, sagte sie: „Achtsam in der Gegenwart sein, die ganz kleinen Dinge bemerken. Wie fühlt sich mein Atem an, wie eine Berührung? Das Einlassen auf die direkte Erfahrung schärft die Sensitivität: für das eigene Leben, für das Sterben und für die Begegnung mit dem Unfassbaren.“
Sterbende sind hörend
Für Renz, die Theologin, Psychologin und Musiktherapeutin ist, spielt die Musik eine zentrale Rolle bei der Sterbebegleitung. „Sterbende sind hörend; oftmals auch dann, wenn sie nicht mehr sichtbar reagieren.“ Sie vermittelte dem Publikum am Hospiztag einen Eindruck von Klangreisen, leisen Gesängen, den Tönen des Monochords – eine Praxis, die bei vielen Gästen einen tiefen Eindruck hinterließ.
Perfekt passte dazu der musikalische Abschluss des Hospiztages, den der Augustiner-Vocalkreis Erfurt mit a capella Kompositionen gestaltete. Eine Teilnehmerin brachte es beim Verlassen der Kirche auf den Punkt: „So beschwingt und erfüllt von Tönen und tiefen Eindrücken habe ich mich selten gefühlt.“
Monika Renz hält am 4. September (19 bis 21 Uhr) in der Erfurter Katholischen Bildungsstätte St. Martin (Farbengasse 2) einen Vortrag über Hoffnungsbilder Sterbender. Anschließend können die Anwesenden mit ihr und dem Moraltheologen Professor Josef Römelt ins Gespräch kommen.
Der THPV
ist der Dachverband für die Hospiz- und Palliativarbeit in Thüringen. Er hat derzeit 48 Mitglieder, darunter alle ambulanten Hospizdienste, alle stationären Hospize für Erwachsene, mehrere Palliativstationen und Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgungsteams. Zu den Aufgaben des Verbandes zählt es unter anderem, Hospizbewegung und Palliativversorgung in ganz Thüringen bekannt zu machen, das Netzwerk der zahlreichen Hilfsangebote auszubauen und die Interessen der Mitglieder auf Landes- und Bundesebene zu vertreten. Die Akademie des THPV qualifiziert die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter, die in der Hospiz- und Palliativversorgung tätig sind.
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