Ein Netz, das trägt
Zahl der Anlaufstellen in der Hospizarbeit und Palliativmedizin wächst weiter – Thüringer Hospiz- und Palliativverband fordert gute Balance zwischen ambulanten und stationären Hilfen
Erfurt, 1. Februar 2019. Ein Blick auf die Karte des Bundeslands Thüringen mit den Anlaufstellen der Hospizarbeit und der Palliativmedizin belegt: Das Netzwerk, das Menschen unterstützt, wenn sie mit Sterben, Tod und Trauer konfrontiert sind, wächst weiter. Zwar gibt es vor allem im Saale-Orla-Kreis und dem Landkreis Greiz noch Gebiete, in denen die Hilfen rar sind. „Aber wir sind optimistisch, dass sich auch hier in den nächsten Jahren Angebote entwickeln“, sagt Christine Vonderlind, Vorstandsvorsitzende des Thüringer Hospiz- und Palliativverbandes (THPV e.V.).
Der Verband hat jetzt eine Publikation mit dem Titel Ein Netz, das trägt herausgegeben. Es verzeichnet die Kontakte zur Hospiz- und Trauerbegleitung sowie zur Palliativversorgung und Selbsthilfe in Thüringen. Das Heft soll Menschen, die in Thüringen in sozialen, pflegerischen, ärztlichen, begleitenden oder therapeutischen Berufen arbeiten, bei Beratungsgesprächen mit Betroffenen unterstützen. Denn das Wissen über die Vielfalt und die Hintergründe der Angebote für schwer kranke und sterbende Menschen müsse hierzulande noch viel stärker bekannt gemacht werden, so Vonderlind.
Zwei neue Hospize eröffnen in diesem Jahr
Mittlerweile gibt es in Thüringen an 33 Standorten 26 ambulante Hospizdienste für Erwachsene, an zehn Standorten sechs Kinder- und Jugendhospizdienste sowie sieben stationäre Hospize mit insgesamt 80 Plätzen. In diesem Jahr kommen zwei stationäre Hospize hinzu: Am 5. Februar eröffnet in Jena ein neu gebautes Haus; voraussichtlich Mitte des Jahres wird in Katzhütte die Arbeit aufgenommen. Damit steigt die Zahl der Hospizplätze in Thüringen auf 100.
Der siebte Thüringer Krankenhausplan sieht außerdem vor, die Anzahl der Betten auf Palliativstationen in den kommenden Jahren von heute rund 170 auf 234 zu erhöhen. Hospiz- und Palliativbetten zusammengenommen, läge Thüringen dann mit insgesamt etwa 155 Plätzen pro einer Million Einwohner deutlich über dem Wert, den die Europäische Vereinigung für Palliative Care empfiehlt, nämlich 60 bis 80 Betten pro einer Million Einwohner.
Dass ein so beachtliches Netz an Hilfen entstehen konnte, ist vor allem dem Ende 2015 in Kraft getretenen Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) zu verdanken. In Thüringen übernimmt die Politik seit mehr als 25 Jahren Verantwortung für die Entwicklung und den Ausbau der Hospiz- und Palliativarbeit. Das kommt beispielsweise in Artikel 1 der Landesverfassung zum Ausdruck: Die Würde des Menschen „auch im Sterben zu achten und zu schützen, ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt“: Kein anderes Bundesland stellt diese deutliche Aussage an so prägnante Stelle. Der Landeshaushalt sieht auch für 2019 wieder eine solide Finanzierung vor: mit mehr als 500.000 Euro für die ambulante und 360.000 Euro für die stationäre Hospizarbeit.
Gemeinsam am Runden Tisch diskutieren
Christine Vonderlind sieht die Zunahme der institutionellen Angebote auch kritisch: „Wir beobachten die Tendenz, die Versorgung schwer kranker und sterbender Menschen gewissermaßen an Einrichtungen und die Profis dort auszulagern.“ Die Fähigkeit, für Menschen am Lebensende da zu sein, sei jedoch jedem Einzelnen gegeben. Der Verband möchte daher Menschen den Mut zusprechen, sich in ihrer Familie, der Nachbarschaft oder der Gemeinde aktiv um ihre sterbenden Nächsten zu sorgen. „So könnte sich der Wunsch der meisten Menschen nach einem Sterben im vertrauten Umfeld erfüllen.“
Für den Vorstand des Verbandes ist es eine wichtige Aufgabe, den engen Austausch aller Akteure zu befördern, die schwer kranke und sterbende Menschen behandeln, pflegen und begleiten. „Auch in diesem Jahr werden wir zu mehreren Runden Tischen einladen und mit Vertreterinnen und Vertretern der Politik, der Krankenkassen sowie der Hospiz- und Palliativarbeit die aktuellen Entwicklungen diskutieren“, sagt Christine Vonderlind.
Darüber hinaus wird der Verband seine Öffentlichkeitsarbeit weiter intensivieren, um in Thüringen noch deutlich mehr Wissen über die Versorgungsstrukturen, die verschiedenen Hilfeangebote und die richtigen Kontakte zu verbreiten.
Der THPV
ist der Dachverband für die Hospiz- und Palliativarbeit in Thüringen. Er hat derzeit 48 Mitglieder, darunter alle ambulanten Hospizdienste, alle stationären Hospize für Erwachsene, mehrere Palliativstationen und Spezialisierte Ambulante Palliative Versorgungsteams. Zu den Aufgaben des Verbandes zählt es unter anderem, Hospizbewegung und Palliativversorgung in ganz Thüringen bekannt zu machen, das Netzwerk der zahlreichen Hilfsangebote auszubauen und die Interessen der Mitglieder auf Landes- und Bundesebene zu vertreten. Die Akademie des THPV qualifiziert die ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter, die in der Hospiz- und Palliativversorgung tätig sind.